Bocholt, Heilig Kreuzkirche

Foto’s und Info: Dirk Elsemann http://www.dirkelsemann.de

Am 27. April 1935 erging an die Firma Breil/ Dorsten der Auftrag zum Kauf der alten Orgel der Franziskanerkirche in Dorsten (6500 Reichsmark), wobei von Vorherein eine Vergrößerung des bestehenden Instrumentes auf Dauer vorgesehen war. Am 30. April 1935 wurde der Auftrag durch die Fa. Breil bestätigt mit dem Vermerk “10000 Reichsmark bei Elektrifizierung oder Pneumatisierung des Werkes und vollständigem Ausbau des Werkes auf 23 Register”.

Die vorerst geplante Disposition lautete:
(22 eigenständige Register, 30 Ranks, 1 Transmission):

. Manual, Hauptwerk: II. Manual, Schwellwerk: Pedal:
Bordun     16′ Gedackt       8′ Subbaß 16′
Principal       8′ Salicional       8′ Bordunbaß (Transm.) 16′
Gedackt       8′ Geig. Principal       4′ Principal   8′
Gambe       8′ Spitzflöte       4′ Gedacktpommer   8′
Octav       4′ Waldflöte       2′ Choralbaß   4′
Flöte-douce       4′ Quinte 1 1/3′ Posaune 16′
Superoctav       2′ Rauschpfeife           3-4f. 2 2/3′
Mixtur                     4-6f. 1 1/3′ Krummhorn       8′
Trompete       8′ – Tremulant
 

m Dezember 1938 erfolgte der Aufbau des Hauptwerkes, jedoch mit folgender dispositioneller Änderung:
im Hauptwerk Quinte 2 2/3´ statt Gamba 8´, Rohrflöte 4´ statt Flöte-dolce 4´;
im Schwellwerk Holzflöte 8´ statt Gedackt 8´, Scharf 4f. 1 1/3´ statt Rauschpfeife 3 – 4f. 2 2/3´

Zu Ostern 1939 erfolgte dann der komplette Ausbau für 22250 Reichsmark, wobei daraufhin der damalige Münsteraner Domorganist schrieb: “Im Hauptwerk wäre ein drittes 8´-Register am Platze (Vorschlag: Gemshorn 8´ aus Oberwerk). Dafür könnte etwa ein Italienisch Prinzipal 8´ im Oberwerk stehen. Das Register Prinzipal 8´ im Pedal müßte richtiger Oktave 8´ heißen.”

Aus der alten Orgel des Franziskanerklosters wurden 15 der 17 geplanten Register wiederverwendet, sowie ein Magazinbalg und eine Pedalwindlade (für 4 Register mit 25 Tönen). Ebenfalls sind die Änderungsvorschläge des Domorganisten nicht durchgeführt. Auch die Klaviere II und III sind entgegen der zuerst geplanten Disposition vertauscht. Im Oberwerk war eine Oboe 8′ geplant, die jedoch in 4′-Lage mit dem Namen “Schalmey” gebaut wurde.

Hier die 1938/1939 ausgeführte Disposition
(39 eigenständige Register, 54 Ranks, 1 Transmission):

I. Manual, Hauptwerk: II. Manual, Schwellwerk: III. Manual, Oberwerk: Pedal:
Bordun     16′ Holzflöte        8′ Gemshorn        8′ Principalbaß       16′
Principal       8′ Salicional        8′ Rohrflöte        8′ Subbaß       16′
Gedackt       8′ Geig. Principal        4′ Quintade        8′ Bordunbaß (Tr.)       16′
Octav       4′ Spitzflöte        4′ Sing. Principal        4′ Quintbaß 1 10 2/3′
Rohrlöte       4′ Waldflöte        2′ Koppelflöte        4′ Principal         8′
Quinte 2 2/3′ Quinte 1 1/3′ Nasard 2 2/3′ Gedacktpommer1         8′
Superoctav       2′ Scharf                           4f. 1 1/3′ Schwegel        2′ Choralbaß1         4′
Mixtur                     4-6f. 1 1/3′ Krummhorn        8′ Terz 1 3/5′ Flachflöte 1         2′
Trompete       8′ – Tremulant Rauschquinte         2f. 2 2/3′ Hintersatz 1       4f.   2 2/3′
Zimbel                      4f.        1′ Posaune       16′
Normalkoppel      II/I Normalkoppel     III/II Dulcian      16′ Trompetenbaß         8′
Normalkoppel     III/I Superkoppel         II Schalmey        4′
Superkoppel      II/I Normalkoppel        I/P
Normalkoppel       II/P
Normalkoppel      III/P
weitere Spielhilfen:

– 2 fr. Kombinationen
– Walze


(1)Kleinpedallade

Nach der letzten Besichtigung der Orgel durch den Domorganisten von Köln, Prof. Hans Bachem am 3. Mai 1939, der die letzten Intonationsanweisungen gab, erfolgte am 7. Mai die Orgelweihe, bei der er selber spielte.

Kurz nach der Weihe wurde die Rauschquinte auf 2′ umgesetzt und ein Pflege- und Stimmvertrag mit der Fa. Breil geschlossen. 1956 wurde der Prospekt der 16´-Seite durch Fa. Breil neu bronziert (325 DM) (eine Überprüfung des Orgelwerkes kostete zu dieser Zeit nur 63,60 DM). 1960 wurde die Oberwerkslade durch Fa. Breil notdürftig repariert, da sich durch Kriegseinwirkungen Risse in der Windlade gebildet hatten. Die erste Reinigung der Orgel fand erst 35 Jahre später statt (1974).
Immer neu auftretende Mängel traten auf, bis 1990 ein Orgelzustandsbericht durch den Orgelsachverständigen des bischöflichen Generalvikariates, Ekkehard Stier angefertigt wurde, welcher folgenden Maßnahmenkatalog vorsah: – Säuberung des Pfeifenwerkes
– Austausch der Membranen unter den Kegelventilen
– 2 neue Motoren in der Orgel, die den großen Motor auf dem Dachboden der Kirche ablösen sollten
– ein neues Magazin für das Oberwerk, damit verbunden eine geänderte Windkanalführung

Die Arbeiten führte Fa. Breil 1992 durch.

1993 baute Dirk Elsemann einen zweiten Tremulanten für das Oberwerk, sowie ein kleines Glockenspiel mit 4 Glöckchen ein, wobei beide Tremulanten nun elektronisch vom Spieltisch aus angesteuert werden konnten.
Ebenso wurde die Disposition geringfügig verändert. Die Trompete 8′ aus dem Hauptwerk wanderte ins Schwellwerk, die Oboe 4′ ging um eine Oktave versetzt als 8′ ins Hauptwerk und das Krummhorn 8′ aus dem Schwellwerk ging anstatt der Oboe ins Oberwerk.
Zunächst schien insgesamte eine Verbesserung des Orgelzustands eingetreten zu sein, doch bald zeigten sich wieder Mängel, die sich so sehr anhäuften, bis es fast nicht mehr möglich war, ohne Kunstgriffe die Orgel zu spielen.

1998 begann der damalige Organist Dirk Elsemann mit Herrn Paul Tebrake, das gesamte Pfeifenmaterial auszubauen, zu reinigen, die Windladen zu öffnen, auszusaugen und neu abzudichten. Die Prospektpfeifen wurden allesamt abgeschliffen und neu bronziert. Desweiteren sind die Räume des Kleinpedals und Schwellwerks mit Wärmedämmplatten vor Kälte isoliert worden. Alte Windkanäle, die nicht mehr in Betrieb waren und nutzlos in den Dachboden führten, wurden beseitigt.
Im Anschluß an diese Maßnahmen wurde der Bau zweier Orgelgehäuse (Hauptwerk und Oberwerk) begonnen. Das Oberwerk wurde in diesem Zuge mit Schwellklappen versehen, um einen flexibleren Orgelklang zu erhalten. Die Ansteuerung des Schwellmotors erfolgte über eine Soll-Istwert-Schaltung, die den Motor anwies, solange in eine bestimmte Richtung zu drehen, bis der Istwert erreicht war. Der Sollwert wurde am Schwelltritt über ein Potentiometer ermittelt, ebenso der Istwert an den Schwellklappen. Der Motor befand sich in einem schallisolierten Holzkasten. Im Rahmen dieses Gehäusebaus wurde C – Gis vom Gemshorn 8′, welches bis dahin zwischen den 16′-Feldern des Prinzipalbasses stand, in das neue schwellbare Oberwerk unter die Decke gehängt und in Erinnerung an Dirk Elsemann “Hängend Elsehorn” genannt.

Ebenso erfolgte wieder eine Dispositionsänderung, die teilweise nur auf Registertausch innerhalb der verschiedenen Werke beruhte. Der Mixturbestand wurde aufgrund der “hellhörigen” Akustik der Kirche beschnitten. Anschließend wurde die Orgel durch Herrn Orgelbaumeister Johannes Klein/ Oelde gründlich nachintoniert:
die Rohrflöte 4′ aus dem Hauptwerk wechselte mit der schwächeren Spitzflöte 4′ aus dem Schwellwerk. Die Mixtur aus dem Hauptwerk wurde ab dem cis1 erneuert und durchgängig nur noch 4fach. Die Trompete 8′ aus dem Schwellwerk ging wieder an seinen alten Platz ins Hauptwerk zurück; stattdessen kam ins Schwellwerk eine (leider) sehr eng mensurierte Trompete 8′ aus der alten Breil-Orgel der Kirche Zur Heiligen Familie/ Rhede. Die überblasene Quinte 1 1/3′ ging statt der Rauschquinte 2f. nun mit dem Namen Traversquinte ins Oberwerk. Statt der Quinte bekam das Schwellwerk nun endlich eine Vox coelestis 8′ (aus dem Bestand Speith). Die Waldflöte 2′ ging anstelle des Schwegel 2′ ins Oberwerk, stattdessen kam der 2′-Chor aus der Oberwerks-Rauschquinte als Engprincipal 2′ ins Schwellwerk. Das Scharf 4f. aus dem Schwellwerk ging statt der Zimbel 4f. ins Oberwerk, der Dulzian 16′ bekam mit Trompetenbechern (C – A halbe Länge, ab Ais volle Länge) als Trompete 16′ einn neuen Platz auf dem Scharf-Stock im Schwellwerk. Die Oboe ging nun ins Oberwerk zurück, allerdings um eine Oktav versetzt als 8′. Im Pedal wurde der Hintersatz aufgeteilt, der 2′-Chor stand nun auf dem Stock der entfallenen Flachflöte 2′ als Kleinprincipal 2′. Die Chöre 1 1/3′ und 1′ blieben unter der Bezeichnung Quartan 2f. dort stehen. Teile des 2 2/3′ bildeten nun einen stummen Prospekt als vorgesetztes Mittelfeld der linken Prospektseite.

Im Februar 1999 wuchs der Plan zum Bau einer verschiebbaren, einmanualigen Chororgel, die auch vom Spieltisch der großen Orgel angesteuert werden sollte. Nachdem die meisten Orgelteile gebraucht beschafft werden konnten, machte sich der ausführende Orgelbauer Johannes Klein an die Arbeit und entwarf ein 7registriges Werk, das architektonisch die Bögen der Kirche, das Ornamentwerk sowie die dunklen Farbtöne der Kirchenbänke aufnehmen sollte.
Durch einen günstigen Zufall kam ich an eine Trompette harmonique 8′ von Seifert (ehemals im Deutschordensmünster Heilbronn), die nunmehr im Schwellwerk seinen Platz fand. Somit wurde die Trompete 8′ im Schwellwerk frei und konnte in der Chororgel Verwendung finden.

Die Verbindung zwischen Taste und Ventilmagnet erfolgt elektronisch über ein Transistorennetzwerk, wodurch die Koppelanlage und die Ansteuerung durch die große Orgel mit sehr niedriger Stromstärke über sehr dünne Leitungen möglich wurde.

Die Pedalklaviatur ist über einen mehrpoligen Stecker an die Orgel angeschlossen; die Manualklaviatur läßt sich herausziehen, da eine Verbindung über einen mehrpoligen Stecker besteht, der sich beim Herausziehen der Klaviatur automatisch löst. Der Subbaß steht außerhalb der Orgel auf einem fahrbaren Podest und ist ebenfalls über einen mehrpoligen Stecker an die Orgel angeschlossen.

Zunächst war die Chororgel über das I. Manual spielbar, doch schnell kam bei mir der Wunsch nach einem viermanualigen Spieltisch auf, zumal der alte Breil-Spieltisch schwerwiegende Verschleißerscheinungen zeigte.

Ende Mai 2000 war es nun soweit. Die Orgel erhielt einen “neuen” Spieltisch der Fa. Klais aus dem Jahre 1954. Erster Standort dieses Klais-Spieltisches war die Münster-Kirche in Konstanz, der zweite Standort war die Johanneskirche in Troisdorf-Sieglar.
Der Spieltisch erhielt zusätzlich zu seinen 10 Normalkoppeln weitere elektronische Super- und Subkoppeln, die der Orgel nicht nur mehr Kraft verleihen, sondern die Ausnutzung des Klangmaterials erheblich vergrößern. Die Sub-, Normal- und Superkoppeln der Chororgel befinden sich in der Chororgel. Die elektronischen Super- und Subkoppeln für die große Orgel befinden sich aus Platzgründen in einem Holzkasten an der Spieltischrückwand des neuen Hauptspieltisches. Eine Besonderheit der 27 Koppeln ist die Normalkoppel I, die es erlaubt, z.B. das Principal 4′ nur mit der Subkoppel I als 8′-Register zu spielen. Die Subkoppel I ist insofern ausgebaut, als das das Holzgedackt 8′ in der großen Oktav des Subbaß 16′ münden, die Register Principal 4′ und Blockflöte 4′ in der kleinen Octav des Subbaß 16′.

Im Jahre 2004 erfolgte durch OBM Johannes Klein eine gründliche Revision, die folgende Schritte mit sich brachte:

– Überprüfung und teilweise Erneuerung der Elektrik
– Ersetzen schadhafter Bleikondukten
– Ersetzen schadhafter und undichter Papierdichtungen an den Windladen
– Erneuerung der “lautstarken” Tremulanten des Positivs und des Schwellwerkes
– Abdichtung undichter Windkanäle
– Erneuerung schadhafter Rasterbretter
– Erneuerung der großen Magazinbälge
– Einbau eines neuen Stoßfängers im Schwellwerk
– Einbau von Becherhalterungen für Trompete 16′ und Trompette harmonique 8′ im SW
– Einbau neuer Jalousiesteuerungen (System Heuss) samt Schwelltritten für Positiv und Schwellwerk
– Einbau neuer Becher für die Trompete 8′ im Pedal
– Einbau der großen Oktave vom Octävlein 2′ im Pedal

Im Jahre 2005 wurde von Herrn OGM Johannes Klein in der Chororgel die Trompete 8′ durch eine Rohrschalmei 8′ ersetzt (aus Klais-Orgel
im Gürzenich/ Köln).

   
Die heutige Disposition:

I. Man., Chororgel:II. Man., Hauptwerk:III. Man., Positiv:IV.Man., Schwellwerk:Pedal:Holzgedackt1      8′Bordun    16′Hängend Elsehorn1       8′Holzflöte  8′Principalbaß      16′Principal2      4′Principal       8′Rohrflöte       8′Salicional  8′Subbaß      16′Blockflöte3      4′Gedackt       8′Quintade       8′Vox coelestis1  8′Bordunbaß (Tr.)      16′Schwegel4      2′Octav       4′Principal       4′Geigenprincipal  4′Quintbaß110 2/3′Quinte51 1/3′Spitzflöte1       4′Koppelflöte       4′Rohrflöte2  4′Holzoctav        8′Rohrschalmey6      8′Quinte2 2/3′Nasard2 2/3′Octav3  2′Gedacktpommer1        8′– Tremulant7    Superoctav       2′Waldflöte2       2′Trompete416′Superoctav1        4′        Mixtur 2                   4f.1 1/3′Terz1 3/5′Trompette harmonique5  8′Octävlein1        2′Subkoppel7        ITrompete       8′Traversquinte31 1/3′– TremulantPosaune      16′Subkoppel7     II/I-Glockenspiel3Scharf 4                  4f.1 1/3′Trompete2        8′Subkoppel7    III/I      Oboe5       8′Superkoppel6  IVSubbaß Chororg.3      16′Normalkoppel7        ISubkoppel4       IIKrummhorn6       8′ Normalkoppel     II/ISubkoppel4   III/II– Tremulant7Normalkoppel       I/PNormalkoppel    III/INormalkoppel   III/IINormalkoppel      II/PNormalkoppel    IV/INormalkoppel   IV/IISubkoppel7       IIINormalkoppel     III/PSuperkoppel7        ISuperkoppel4       IINormalkoppel   IV/IIINormalkoppel    IV/PSuperkoppel7     II/ISuperkoppel4   IV/IISuperkoppel7   IV/IIISuperkoppel4       I/PSuperkoppel7    IV/ISuperkoppel4      II/P
 (1) aus Schwellwerk
(2) ab c1 neu
(3) neu, teilw. aus 
     Fahrradschellen
(4) neu
 (1) Gemshorn; C-
     Gis unter der 
     Decke hängend
(2) aus Schwellwerk
(3) aus Schwellwerk
(4) aus Schwellwerk
(5) Schalmey ab c0 
(6) aus Schwellwerk
(7) neu
 (1) Altbestand Speith
(2) aus Hauptwerk
(3) aus Rauschquinte
(4) Dulzian mit   
     Trompetenbechern
(5) Bestand Seifert
(6) neu
 Superkoppel4 
(1) Kleinpedallade
(2) neue Becher
(3) aus der Breil-
     Orgel der St.    
     Gudula-Kirche/ 
     Rhede
(4) neu
    IV/P